„Was für ein großartiger Morgen, Sonnenschein, meine Gärten blühen, meine Vögel zwitschern, der Frühstückstisch ist gedeckt, … und was war das für eine Nacht mit diesem Bauermädchen, - was für ein Temperament, sie hat Ihre „Ehre“ gut verteidigt. Hut ab. Ihre Kratzer an meiner Wange werde ich tragen, wie Narben nach einer Schlacht …Wie war noch gleich ihr Name? Nun, der Genießer schweigt.
Aber dann schob das Schicksal dunkle Wolken ans Firmament.
Ich hätte es ahnen müssen, als dieser impertinente Severin, plötzlich meinen Reim um eine dritte Zeile erweitert hatte. Da musste ich ihn zurechtweisen und meine Autorität wiederherstellen. Ich hoffte auf weiteres schönes Spiel mit der Bauernmaid vor dem Frühstück, aber dann wurde dieses Miststück richtig frech. Schade, dass ihr zarter Rücken nun vermutlich nicht mehr zu gebrauchen ist, aber Strafe muss sein, - nicht auszudenken, wenn das Gerücht gehen würde, dass ich auf meine alten Tage milde werde. Meine Widersacher würden das als Schwäche auslegen; und wenn diese Verschwörer Schwachheit wittern, muss ich mich auf eine Menge neuer Nebenkriegsschauplätze gefasst machen. Ich bin es meinem Vater schuldig, die Grafschaft im Sinne der Väter zu erhalten und weiterzuentwickeln.
Und die Wolken wurden dunkler, als ich es je erwartet hätte. Klar, eines Tages verliert jeder Vater seine Tochter, nämlich an seinen Schwiegersohn, aber den hat man sich ausgesucht zum Wohle des Reiches. Doch was passiert, eine Räuberbande entführt meine Christiane. Glücklicherweise kommt sie nach mir und wird sich nicht unterkriegen lassen.
Ich hätte mich längst mit dieser Bande beschäftigen müssen; leider habe ich erst spät gemerkt, wie viel Geld die Grafschaft durch sie verloren hat. Die Angst der Menschen hat den Handel gehemmt; Soldaten sind desertiert. Aber was viel schlimmer ist, dass sie ungestört ihr Unwesen treiben konnten, hat meine Autorität untergraben.
Der Erpresserbrief dieser Bande wurde durch zwei impertinente Handwerksburschen überbracht. Die beiden waren überhaupt sehr seltsam, da war irgendein Déja-vu dabei, das ich nicht zu fassen kriegte. Ich frage mich, warum ich die Beiden einfach gehen ließ. Aber ich hatte mich auch nicht mehr in der Gewalt gehabt, nachdem meine Gemahlin mir vor allen anderen in den Rücken gefallen war: Ich solle das Lösegeld zahlen!
Ha! Kein Staat auf der Welt kann es sich leisten erpressbar zu sein. Das muss sie doch wissen. Wir vom Adel sind nun einmal dazu auserkoren, an Gottes Statt die Ordnung zu erhalten, zum Besten aller Menschen. Und wie Kinder oft nicht einsehen, was ihre Eltern fordern - wohlgemerkt zu ihrem Besten - so ist auch das Volk oft aufmüpfig. Man kann das verstehen, aber wir müssen auch unserem Auftrag in der Welt gerecht werden. Wir haben eine besondere Verantwortung; diese erfordert es, dass wir persönliche Wünsche oder gar Gefühle zum Wohle aller zurückstellen.
Der Kaplan, dieser opportunistische Speichellecker, sagte es richtig: „Sie, Herr Graf, sind von Gott auserwählt, also ist ihre Entscheidung die Richtige…“
Und so haben wir getan, was getan werden musste. Zum Feldzug gegen die Räuberbande gab es keine Alternative. Ich verließ mich voll auf die Vorbereitungen meines Majors. Das war ein großer Fehler, denn die Armee folgte ihm nicht und desertierte. In unserer Not haben wir dann Kräfte dienstverpflichtet, die uns am Ende der Schlacht in den Rücken fielen. Dabei hatten wir den Sieg quasi schon in der Tasche. Auch hier habe ich dem Urteilsvermögen meines Majors zu sehr vertraut.
Aber der schwerste Schlag war für mich, dass mein früherer Widersacher - Karl Graf von Sonnenlohe - diese feige Entführung meiner Tochter angezettelt hatte. Wie schändlich, erst flieht er von seinem Anwesen, als ich ihn für seine Auflehnung gegen mich zur Rechenschaft ziehen wollte, dieser Feigling, anstatt, sich im Kampf Mann gegen Mann zu stellen, das kann man ja wohl von einem 16-Jährigen erwarten ... Und dann vergreift er sich an wehrlosen Frauen. Hat man jemals etwas Widerwärtigeres erlebt. Es hat sich wieder bewiesen, dass der Apfel nicht weit vom Stamme fällt. Schon sein Vater – Karl-Friedrich Graf von Sonnenlohe - war den Staub auf meinen Stiefeln nicht wert. Ich hasste ihn, seit er mir einst meine Angebetete weggenommen hat. Natürlich forderte ich ihn zum Duell. Unsere Väter verboten es damals.
Aber die Vorsehung rächte alles, die Eltern meines Widersachers starben früh. Und auch Karl-Friedrich und seine Frau starben jung. Den wirklichen Grund erfuhr man nie, aber das tut auch nichts zur Sache.
Einige Jahre später erlagen meine Eltern einem Fieber, und die Grafschaft Sandau fiel an mich. Auf einen Reichstag sah ich dann den Sohn meines Widersachers - Karl - zum ersten Mal, und es traf mich wie ein Blitzschlag, - er war seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten, und dessen unangebrachte Arroganz hatte er ebenfalls kultiviert. Das hätte man ja noch ertragen können, denn was kratzt es eine Spessart-Eiche, wenn sich eine Wildsau dran wetzt. Aber nein, plötzlich begann er neue Ideen von Freiheit in seiner Grafschaft umzusetzen, - Bauern haben plötzlich Rechte, Leibeigenschaft wird aufgehoben, und weiterer Unsinn. Nachdem meine Bauern begannen, in diese Anarchie zu flüchten, war das Maß voll. Ich stellte ihm ein Ultimatum. Er nahm das nicht ernst. Nun der Rest ist Geschichte – und seine Grafschaft auch.
Und jetzt stand ich ihm plötzlich erneut gegenüber, er war Hauptmann der Räuberbande geworden, das passt doch ins Bild! Mit einem Male war es klar, dass er hinter allem steckte. Ich hätte ihn zerquetschen können wie eine Wanze. Und dann verließ uns plötzlich das Kriegsglück durch den Verrat der Söldner. Ausgerechnet diesem Sonnenlohe hatte ich es dann zu verdanken, dass uns der Pöbel nicht aufknüpfte.
Sicher, ich habe überlebt, Christiane, Felicitas und Fräulein von Stöckli sind am Leben; dennoch habe ich alles verloren. Meine Autorität, - von diesem Versager Sonnenlohe muss ich mir das Leben schenken lassen - und dann verliere ich auch noch meine Tochter an ihn.
Sicher, es zeigte sich, dass auch Major von Knüppeldick ihrer nicht wert war. Wie ich einsehen musste, konnte er weder einen Wehr-Etat zusammenhalten, noch eine Armee; geschweige denn, dass er meine Tochter halten konnte. Und dann verschwindet er auch noch mit beleidigenden Worten. Sollte er mir nochmals unter die Augen treten, dann …
Zu guter Letzt droht mir auch noch meine Gemahlin um ein Haar zu entgleiten, - was ist bloß in dieses Weib gefahren. Ja, die Gedanken der Frauen sind unergründlicher als die Tiefen des Meeres. Hat es nicht gereicht, dass sie mich im Schloss vor allen durch ihre Widerworte gedemütigt hat, - musste das auch noch vor dem Grafen von Sonnenlohe und den anderen Gesetzlosen geschehen?
Besser wäre ich in der Schlacht getötet worden, - warum lässt Gott das zu?
Sicher, mir ging der Arsch auf Grundeis als ich den Räubern ausgeliefert war, - aber besser der Tod als diese Schmach. Nein, ich bin auch nicht mehr ich selbst. Was hat mich zu meinen weiteren Handlungen getrieben? Eigentlich hätte ich meine Gemahlin wegen Hochverrats mit eigenen Händen töten müssen …, aber ich habe es nicht getan; stattdessen habe ich Sonnenlohe noch Abertausende Gulden in den Rachen geworfen, damit zumindest wieder Frieden zwischen mir und meiner Frau herrscht.
Aber im Kriege ist oft der Instinkt der bessere Ratgeber, und wenn man geschlagen ist und nicht gleich wieder aufstehen kann, dann muss man sich mit letzter Kraft zurückziehen. Man muss warten, und Geduld haben bis die Kräfte zurückkehren und man die Lage wieder uneingeschränkt überblickt. Immerhin ist mein Augenstern Christiane in Sicherheit, wenn auch in den Armen meines Feindes, und mir bleibt meine Grafschaft. Das ist ein Ausgangspunkt. Vielleicht halte ich erst einmal Klostereinkehr; vielleicht erschließt sich mir dann Gottes Ratschluss. Und dann …, dann sehen wir weiter…“
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