Dies ist ein geflügeltes Wort in unserer Truppe - die Ausrede, wenn man sich an einen bereits geprobten Ablauf nicht mehr erinnert. Mit Überzeugung vorgebracht, kann man damit die Regie – je nach Selbstbewusstsein – kurz- oder auch längerfristig verunsichern. Bei unserem ersten gemeinsamen Stück habe ich tatsächlich in meinen Aufzeichnungen nachgesehen, ob sie Recht haben könnten. Hatten sie natürlich nicht. Regel Nr. 1 – die Regie irrt sich nie! – Das reimt sich sogar - und wie der Pumuckl sagen würde, es reimt sich, also stimmt es! (Übrigens, wer den Pumuckl, den rothaarigen Klabautermann und seinen Freund Meister Eder von Ellis Kaut nicht kennt, sollte ihn kennenlernen, er wird es nicht bereuen. Sehr zu empfehlen auch die gleichnamige Hörfunkserie des Bayerischen Rundfunks).
Zurück zu uns: Die Proben zu unserem neuen Stück laufen bereits seit dreieinhalb Monaten. Den ersten Akt haben wir geschafft. Das war ein schweres Stück Arbeit, denn er ist in Punkto Requisiten die reinste Materialschlacht. Koffer, Kisten, Teller, Bettlaken, Zeitung, Akten, Fische , Auftritte und Abgänge in rasantem Wechsel - und der Text! Die Schauspieler haben ganz schön gestöhnt! Aber sie haben ihren Text so früh gelernt, wie noch nie. Sie merkten nämlich schnell: wenn man das Textbuch in der einen Hand hält, einen Teller in der anderen, und dann den Telefonhörer abnehmen soll, muss man sich schleunigst eine dritte Hand wachsen lassen. Da es aber nur wenige Rollen für dreihändige Schauspieler gibt, ist das Textlernen eindeutig die bessere Lösung, sozusagen „alternativlos“
Tipp für alle Regisseure, deren Schauspieler sich mit dem Textlernen gerne Zeit lassen: Wählen Sie ein Stück mit unglaublich vielen Requisiten und Sie werden sich wundern, wie schnell ihre Truppe den Text gelernt hat!
Mittlerweile haben wir uns dem zweiten Akt zugewandt und wieder mal erfahren, dass alles relativ ist. Dieser Akt ist so turbulent, dass unsere „Elfe“ dagegen eine lahme Ente ist! Auf einmal kommt uns der erste Akt gar nicht mehr sooo schwierig vor. Damit sich die Schauspieler nicht langweilen, werden die Requisiten des ersten Aktes um einige weitere ergänzt, darunter drei Blumensträuße, eine Flasche, Rettungsgerät und ein Kaktus, die alle ständig im Umlauf sind, also dauernd ihre Besitzer wechseln. Dazu kommt, dass den Schauspielern hier ein wichtiges Ausdrucksmittel genommen wurde: die Sprache! Denn über weite Teile wird die Handlung hier als Pantomime gespielt.
Prima, könnte man jetzt denken, endlich ein Stück in dem man keinen Text lernen muss. Schon. Aber wie bitte, lernt man Pantomime? Eine Handlung ohne Worte? Woher weiß man denn, wann wer was macht? Wo sind die Stichworte? Nun, die gibt es teilweise, denn gesprochen wird schon – in einer Parallelaktion. Auf diese muss man die pantomimischen Abläufe „timen“. Dazu muss man sich aber erst mal merken, was wer zu tun hat, muss auf die anderen sehen, auf die Parallelhandlung hören – und die Abläufe regelrecht trainieren. Das ist aber noch nicht alles, man muss auch neue, sprachlose, Ausdrucksformen finde. Ohne „Gesichtsgymnastik“, ohne zu übertreiben.
Entsprechend chaotisch waren die ersten Proben. Zumal auch die Regisseurin freimütig zugibt, bis zur ersten Probe dieses zweiten Akts keine Ahnung gehabt zu haben, wie man so etwas angehen könnte. Doch 14 von 30 Seiten sind geschafft – und die Nebel lichten sich so langsam.
Aber Eines gilt auf jeden Fall für diesen Akt des Wahnsinns: So etwas haben wir noch nie geprobt.
Kommentar schreiben